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Artikel aus der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 15.10 2011

Immer nur Absagen

Jung, ledig, behindert, sucht Arbeit: Volker Stallkamp kämpft um eine Chance

Osnabrück.„Menschen mit Behinderungen werden bei gleicher persönlicher und fachlicher Eignung bevorzugt. “ Eine Schlussformel, zu finden unter fast jeder Stellenausschreibung. Über diesen Satz kann Volker Stallkamp nur müde lächeln, denn der behinderte junge Mann sucht schon seit Jahren nach einer festen Stelle. „Natürlich arbeite ich nicht genauso schnell wie ein nicht behinderter Mensch“, sagt der33-jährige Osnabrücker. Doch arbeiten will er. Unbedingt.

Pflegekräfte werden gesucht, aber Volker Stallkamp erhält nicht einmal die Chance, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

„Sportlich habe ich alleserreicht, was ich erreichen wollte“, sagt Volker Stallkamp. Der 33-Jährige sitzt in seiner Wohnung an der Natruper Straße, vor ihm Aktenordner und Bewerbungsmappen. Im Hintergrund gluckert die Waschmaschine. Den schwarzen Gürtel in Judo habe er gemacht, sagt er.

„Aber nicht im Behindertensport,sondern im Osnabrücker Turnerbund. Da habe ich meine Freunde. Dashier ist mein bester Freund.“

Stallkamp deutet auf eine Einladungskarte, die auf dem Tisch liegt. Darauf zusehen: ein junger Mann im Anzug, in seinem Arm eine Frau imBrautkleid. Der beste Freund ist nicht behindert. „Der hat Abitur und ist technischer Zeichner, seine Frau ist Lehrerin . Der33-Jährige zuckt mit den Schultern. „Ich bin ein Grenzgänger“,sagt er. Doch an einer Grenze ist Volker Stallkamp bislang immer wieder gescheitert – der zur Arbeitswelt.

33 Jahre Leben im Zeitraffer:Volker Stallkamp, Sohn zweier Mediziner, litt bei der Geburt unterSauerstoffmangel und leidet seither unter einer geringfügigenFunktionsstörung des Gehirns.

Wenn der Osnabrücker sein Lebenerzählt, wählt er die Worte bedächtig. Er artikuliert genau,bemüht sich um eine deutliche Aussprache, während sein Blick durchden Raum wandert.

Inder dritten Klasse wechselte er in eine Förderschule, „vorher bin ich gemobbt worden“, sagt er. Seine Mitschüler hänselten ihn, wollten ihn fertig machen. Aber fertig gemacht hat ihn niemand. Volker Stallkamp ist ehrgeizig. Auch wenn er öfters unter Migräne leidet, auch wenn er von sich selbst sagt, dass er langsamer als andere ist. Er machte seinen Hauptschulabschluss, dazu einen erweiterten Realschulabschluss. Es folgte eine Ausbildung als Werker im Landschafts- und Gartenbau beim Berufsbildungswerk in Bremen (BBW),einer Einrichtung speziell für junge behinderte Menschen. DenAbschluss machte er 1999.

Gerne hätte Stallkamp eine Vollausbildung zum Gärtner drangehängt, doch dafür bräuchte er einen Führerschein Klasse drei. „Aber ich darfnicht Auto fahren, da ich Probleme mit dem räumlichen Sehen habe.“Und damit beginnt die Zeit des Frustes.

Eine Stelle als Werker wurde nicht verlängert, da der 33-Jährige seinen Vorgesetzten zu langsam war. „Ich habe das schlechteste Zeugnis erhalten, das ich je hatte.“ Die ihm übertragenen Aufgaben habe er seinen Fähigkeiten entsprechend so gut wie möglich abzuarbeiten versucht, heißt esdarin.

„Ja, ich weiß. Das ist wirklich sehr schlecht.“

2002war der 33-Jährige dann erst einmal arbeitslos. Vorübergehend fander einen Job als Bürogehilfe, in dem er kleinere Botendiensteübernahm und weiter Bewerbungen schrieb, weiter auf Stellen hoffte.Bei den Osnabrücker Werkstätten machte er ein Praktikum, doch aufDauer wäre das nichts für ihn. „Man verdient nicht viel Geld beiden Werkstätten“, sagt Stallkamp. Aus seiner Zeit alsAuszubildender und später als Werker ist er eben anderes gewöhnt,und sagt sich auch: Ich will mehr für meine Arbeit, ich kann mehr.Denn: „Ich fühle mich nicht als Mensch mit Behinderung.“ Und wenn es eben mit dem Gartenbau nicht klappt, dann muss es vielleichtanders gehen. Er sei in sich gegangen, habe über die eigenenFähigkeiten nachgedacht. Wo liegen meine Stärken? Und kam zu demSchluss, dass er gerne mit anderen behinderten Menschen arbeiten würde – als Pfleger.

„Auf dem Arbeitsamt haben die mich für blöde verkauft. Da hat einermeinen Lebenslauf angesehen und gesagt: Schaffen Sie nicht.“Demselben Menschen stand er ein paar Monate später wieder gegenüber.„Dem habe ich mein Zeugnis auf den Tisch geknallt und habe gesagt: "Ich hab’s doch geschafft.“ Volker Stallkamp lacht. Ein Triumph imKampf gegen die Unterschätzung.

Seither bewirbt er sich alsPflegeassistent –doch erhält nur Absagen. Dabei heißt es dochständig, dass Pflegekräfte gesucht seien.

„Es gibt ja Gesetze, die besagen,dass Betriebe ab einer bestimmten Größe behinderte Menschen beschäftigen müssen“, sagt Stallkamp. „Aber die zahlen ja lieber die Strafe, als einen Behinderten zu beschäftigen. DieGesetze wirken nicht.“ Der Osnabrücker stockt, es ist noch längst nicht alles gesagt. „Es geht ja nicht nur um mich. Ich möchte auch wirklich niemanden verärgern. Aber wir haben einen Finanzminister, der im Rollstuhl sitzt. Gehbehinderte, die werden gerne als Arbeitnehmer genommen. Aber psychisch behinderte Menschen und Menschen mit Lernbehinderung fallen durchs Raster.“

Aufgegeben hat Volker Stallkamp aber nicht. Auf dem Tisch liegen Lebenslauf, Zeugnisse, Mappen. Das Bewerbungsverfahren geht weiter. Wer den schwarzen Gürtel hat, der weiß, wie man kämpft.


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

http://www.noz.de/lokales/57993328/jung-ledig-behindert-sucht-arbeit-volker-steinkamp-kaempft-um-eine-chance


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